Aus „Schoppenbrüdern“ wurden „Sangesbrüder“
Was ist ein Gesangverein?
Das scheint eine dumme Frage, aber so einfach ist eine exakte Antwort auch wieder nicht. Wer es genau weiß, kann die nächsten Zeilen ruhig überschlagen. Für die, die es genau wissen wollen: Gesangvereine sind Vereine zur Veranstaltung von Gesangsaufführungen. Sie stehen unter technischer Leitung eines Dirigenten und in der Regel unter geschäftlicher und gesellschaftlicher Leitung eines Vorstandes. Die Männergesangvereine vereinigen gesellige Tendenzen mit Kunstzwecken. Hinsichtlich der Zusammensetzung unterscheiden sich die Gesangvereine in Männergesangvereine, Damengesangvereine (selten) und Chorvereine (gemischter Chor). So steht’s in Meyers Konversationslexikon, nicht gerade die letzte Ausgabe, aber der Gesangverein, von dem hier die Rede ist, ist noch um vieles älter.
Gegen diese Beantwortung der anfangs gestellten Frage ist sicherlich nichts einzuwenden, es trifft eigentlich alles für Harxheim’s ,,Frohsinn“ zu. Nur mit einer Sache gibt’s noch eine Ungereimtheit. In den älteren Publikationen ist stets von ,,Frohsinn“ als einem Männergesangverein die Rede. Erfreulicherweise ist aber doch festzustellen, dass auch da die Damen mitsingen, und zwar kräftig! So ist denn die Emanzipation bis in die Männergesangvereine durchgedrungen, so dass man sich gar nicht mehr so nennen kann, und als Folge, sie gar nicht mehr so nennt. Doch soll über die Vereinsgeschichte der Reihe nach berichtet werden, hübsch der Reihe nach, von Anfang an.
Man sagt, aller Anfang ist schwer, ob der Anfang von ,,Frohsinn“ schwer gewesen war, kann nicht angenommen werden, die Zeit war dazu reif. Im Weinland hat man schon immer gern gesungen, dazu bedurfte es in früherer Zeit keines Vereins. Es brauchten nur die richtigen „Schoppenbrüder“ zusammenzukommen und schon entfalteten sie ab einer gewissen Stimmungslage ihre stimmlichen Qualitäten. Und wie’s so geht, aus „Schoppenbrüdern“ wurden „Sangesbrüder“. Da die Deutschen ihrer Art nach ordentliche Menschen sind und alles Tun seine Ordnung haben muss, auch das Singen zu Mehreren, gründeten unsere Vorfahren eben Gesangvereine. Das forderte damals auch die hohe Obrigkeit, selbst im sonst recht liberalen Großherzogtum Hessen: Wenn mehrere Leute regelmäßig zusammenkommen, dann ist das verdächtig, ja, es könnte sogar staatsgefährlich sein. Deswegen mussten Zusammenkünfte regelmäßiger Natur Name nennen und Flagge zeigen. Das erste, was so ein neu gegründeter Gesangverein tat, er gab sich eine Satzung. War dann der Vorstand nach Satzung gewählt, konnte endlich ordnungsgemäß gesungen werden.
Gründung geschah am 15. Dezember 1862
So kamen dann am 15. Dezember 1862 einige sangesfrohe Harxheimer Männer zusammen. In welchem (Wirts?-) haus ist nicht verbürgt. Jedenfalls gründeten sie an diesem Tage, vermutlich am Abend, den Gesangverein ,,Frohsinn“. Ob der Name aus der damaligen Stimmung heraus oder sozusagen als Programm oder Lebensgrundsatz gewählt wurde, hierüber ist uns auch keine Kunde überkommen. Wie dem auch immer gewesen sein mochte, jedenfalls, sich das Singen unter dem Gesichtspunkt des Frohsinns vorzunehmen, das war schon eine sehr positive Einstellung. Zum 1. Vorsitzenden wurde G. Happel I. gewählt, Lehrer Köster zum Gesangsleiter (ein etwas bescheidener Ausdruck für ,,Dirigent“). Ringsum folgte man dem Beispiel, in Mommenheim noch im gleichen Jahr, in Zornheim war man da sogar schon l8 Jahre vorausgegangen. Das führte zum edlen Wettstreit der Sänger, was wiederum das Vereinsleben sehr begünstigte. Ein Verein, der etwas auf sich hält, hat auch eine Fahne, wenn er viel auf sich hält eine Fahne in Samt und Seide. Das war denn auch hier so, prächtig gestickt, woraus sich die Damen, die damals noch nicht mitsangen, eine große Ehre machten. Unser Verein hielt 1876 seine Fahnenweihe ab, eine Sache, die man damals sehr ernst genommen hat. Eine Fahne ist ein Symbol, etwas zum Vorzeigen, sie gibt einem Verein sein Selbstverständnis.
In diesen Jahren und der Zeit danach wurde nicht nur gesungen, sondern auch als Verein im Ort die Feste mitgefeiert, wie sie fielen. Und sie fielen! Aber man soll nicht glauben, es hätte für ,,Frohsinn“ als Anlass zum Singen nur Frohsinn gegeben. An manchem Grab, zu manch traurigem Anlass klangen Lieder mit recht getragenen Melodien. Auch hatte man im Kriege 1870/71, gerade einige Jahre nach der Vereinsgründung mit Wilhelm Schweitzer einen Gefallenen zu beklagen.
Ganzes Dorf feiert erstes Jubiläum
Doch in den friedvollen Jahrzehnten danach konnte der Verein ein recht gedeihliches Leben entfalten. 1887 feierte das ganze Dorf das 25-jährige Bestehen, ein Ereignis, das im Mai 1912, zum 50-jährigen Jubiläum, nur noch gesteigert werden konnte. Und, wie es unter Sangesbrüdern so üblich ist, es kam eine ganze Reihe auswärtiger Vereine, um kräftig mitzujubilieren, wobei der Gesangswettstreit das Wetteifern um die Qualität der Chorleistungen zwar die wichtigste, aber nicht die alleinige Rolle spielte. Im Gegenzug beteiligte sich der Verein 1913 in Ebersheim und 1914 in Lörzweiler am jeweiligen Wettstreit.
Dann kam der Erste Weltkrieg, der jegliches Vereinsleben zum Erliegen brachte. Sechs Mitglieder sind in diesen Jahren (1914-1918) draußen geblieben. Erst lange Zeit danach (1925), war der Verein wieder soweit, sich bei einem Wertungssingen in Nierstein und 1926 an einem Wettsingen in Gau-Bischofsheim beteiligen zu können. Ein ganz großes Ereignis war das 1. Bundessingen im Juni 1926 in Mainz. Im Juli dieses Jahres trat der Verein dem neu gegründeten Hessischen Sängerbund bei. Ein Jahr später, im Juli 1927 anlässlich der 65. Wiederkehr der Gründung, übernahm ,,Frohsinn“ die Durchführung des ersten Kreisliedertages des Kreises Mainz-Land im Hessischen Sängerbund. Auch das Wertungssingen 1933 in Heppenheim war wieder ein Höhepunkt im Wettstreit der Sänger. Im Sommer 1937 konnte der Verein sein 75-jähriges Jubelfest begehen, dreizehn auswärtige Vereine waren zugegen. Was da für ein Leben und Treiben im Ort geherrscht haben mag, kann man sich wohl vorstellen, die Älteren werden sich wohl noch gerne daran erinnern. Auch feierte der Verein im Jahre 1952 sein 90-jähriges Jubiläum, 1962 sein 100-jähriges Jubiläum und 1987 sein 125-jähriges Jubiläum mit großem Erfolg. Das 140jährige Bestehen des Vereins, im September 2002, war ein weiterer Höhepunkt im Vereinsleben.
Der Verein hat sich schon immer zum Ziel gesetzt, alle kulturellen Veranstaltungen des Dorfes Harxheim zu unterstützen. Über diesen Rahmen hinaus sind die Sängerinnen und Sänger bei vielen Veranstaltungen in und um Harxheim gern gesehene Gäste. Außerdem pflegt der Verein auch die Geselligkeit von der Weihnachtsfeier bis zur närrischen Singstunde. So integriert sich der Verein nahtlos in das Gemeindewesen von Harxheim.